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Angizia: "Des Winters Finsterer Gesell" – 2013

энциклопедия: Angizia

Состав группы:

  • David Six – фортепиано
  • Harald Hauser – бас
  • Krzysztof Dobrek – аккордеон
  • Alex Dostal – ударные
  • Jochen Stock – вокал
  • Irene Denner – вокал
  • Engelke – вокал
  • Emmerich Haimer – гитара
  • Martina Engel – скрипка
  • Asja Valcic – виолончель

Angizia: "Des Winters Finsterer Gesell" – 2013

Композиции:

  1. Das Gebet Des Waldes
  2. Im Dunklen Tann
  3. Anatol
  4. Himmel Und Hölle
  5. Weh Und Wunde Mich Ergötzt
  6. Ein Kreuz Zur Zier
  7. Tief In Des Waldes Gründe
  8. Flügelspiel
  9. Ich Hab' Den Mut. Ich Hab' Die Macht
  10. Zügellos
  11. Grausamkeit Und Prunk
  12. Das Leere Grab
  13. Jagd
  14. Abschiedslied
  15. Die Letzte Lust

Лирика

1. Das Gebet Des Waldes

Tief in Berges Gründe schwelgt feiner Nebelhauch. Schwarze Wipfel. Keusche Kälte. Donnerdunkles Rauschen.
„Ein Narr in Wald und Schnee“ stapft laut und bös’ durch Winters stumme Pracht. Es ist ein
finsterer Gesell, gehüllt in Teufels schwarze Robe. Sein Schritt bricht Zweig und Eis. Meuchlings blickt er
rückwärts, eine modrige Heugabel in der Hand, und schnauft zu Frost und Rauch. O du keusche Kälte, du
ziehst den dunkelgrauen Mond herab. Welch edle Schwermut saugt an Bach und Holz? Es ist das Gebet des Waldes. Hört
es. Riecht es. Spürt es.

Schneestapfen, Sturm

DER FINSTERE GESELL (flüstert)
Bläulich thront der Schimmer dieser Nacht
und verhehlt mit sanft Geflimmer die Klagen stiller Waldespracht.
Ich bin eins mit Tann und Klamm...mit Eis...Wind...Berg...und Mord.

Ich bin...des Winters finsterer Gesell.
Ich bin der Fels.

DER FINSTERE GESELL/WALDFRAU
Ich bin der Musenkuss und lächle wie ein Kind.
…Musenkuss und lächelst wie ein Kind.
Bebend wallt mein Herz zu diesem bitteren Morgenwind.
Bebend wallt dein Herz zu diesem bitteren Morgenwind.

DER FINSTERE GESELL
Ich suchte Maß und Halt in grausamer Gestalt.

Ich, ich bin der Wald,
so wundervoll und kalt.

2. Im Dunklen Tann

Zur Höh‘ herauf gestiegen,
bin ich ein Narr in Winters Pracht.
Bin ich willens sie zu lieben
in meiner Niedertracht?
Ich bin es!
Ich bin es!

Wer?

Der finstere Gesell

Hier bin ich.

Der finstere Gesell

Tief in Berges Gründe
such‘ich Grausamkeit und Prunk.
Wald, du bist nicht ohne Sünde!
Nacht, du bist noch jung!

Ich bin des Winters Gesell.
Schwer mit Gedanken schreite ich schnell.
Ehrlos und kalt zieh‘ich durchs Gehölz.
Standhaft wie Eis, zäh‘wie ein Fels.

Grauenvolles Weben – zauberhafter Hall.
Liederliches Leben – bodenloser Fall.
Eure Sünden will ich strafen mit fraglicher Gewalt.
In Winters Schatten will ich meucheln…fürchterlich...und kalt.
…so kalt…
…kalt…

Keusche Kälte, klare Winde.
Böse klirrt das Eis.
Schwermut saugt am Holz gelinde,
Überall ist’s weiß…so weiß.

Tannenmeer, ich liebe deinen Prunk!
Spürst du meinen Puls?
Winternacht, ich bin dein Gesell!
Spürst du meinen Groll?

Erzählerin
Finster der Gesell wandelt durch die Nacht,
scheu hat er kurz gelacht.
Wohlgemut und still watet er voran,
grauenvoll ist sein Gespann.

Schauderhafte Nacht, dein Schächer nun erwacht!
Hasch mich doch in deinem Prunk!

Erzählerin
Frohgemut und streng watet er voran,
grauenvoll ist sein Gespann.

Hasch mich doch in deinem Pelz!
schreie ich – in dein Gehölz!
Mich, mich, mich…bewandert mordend Sucht.
Dir, dir, dir schenk ich meine …
... Wucht.

Grau, mein Reich, so tief und weit!
Mein Winter, ich bin dein Geleit.

3. Anatol

In Nebels bleichsüchtigem Schein hört, ja sieht man einige Augenblicke später und eine Waldlichtung
weiter, weit hinter dem finsteren Gesell, ein großes, hageres Männlein mit Clownfratze und rotem Kussmund
durch den tief verschneiten Wald stapfen. Dem Anschein nach ist’s wohl der schnöde

Anatol, ein schriller Knecht aus dem Ferner Tal. Aus seinem prall gefüllten grauen Armeerucksack ragt nebst karg
verschneiter Schallplatten matt, doch golden der Trichter eines alten Grammophons hervor. Das beachtliche Gewicht des
Rucksacks krümmt den fahrigen Gefolgsmann deutlich vorwärts. In seiner rechten Hand hält er eine lange
und leise dahin scheppernde Kette, die an einem brüchigen Holzschlitten befestigt ist und diesen ohne großen
Aufwand den steilen Weg hinauf zieht. Auf dem Schlitten liegen – gestapelt über einem Spaten, mit einem
langen Juteseil niedergebunden – mehrere Holzkreuze übereinander. Wie sich später herausstellen wird wurde
auf allen das gleiche Datum eingelassen. Ohne Zweifel gehört hier einer zum anderen: Der finstere Gesell zu seinem
Knecht, und der Knecht zu seinem Herrn. Ein dunkler, ja gespenstisch anmutender „Kreuzweg“ führt die
beiden Gesellen mit schweren Schritten immer weiter hinauf zu den Einödhöfen, die nur mehr spartanisch
bewohnt sind und in diesem strengen Winter nahezu untergehen.

Was bin ich niederträchtig im abendstillen Tann.
Ich fühle bang und mächtig,
als rühre mich ein höh’res Leben an.

Ich bin ein Knecht des Waldes.
Weh…
Weh…

Ich bin ein Clown in Rouge und Pelz
und bring‘euch Teufels Fels.
Kreuze bring‘ich, ja…ja…
Sie..funkeln schön und (zieht die Nase hoch) riechen fein,
ich grab‘sie händisch ein.
Der Gesel ist ein böser Mann…
böse…
böse…

Dieser Narr zieht mich an!
In seinem Antlitz sitzt jener Drang,
der mich treibt, der mich fängt…
der mich quält und lenkt.

Der Clown zieht betört seinen Schlitten voran,
ihn lockt ein teuflischer Bann.
Hoch, weit und kalt,
weht sein Hauch durch die Nacht,
…verzaubert und bang…schwelgt er bar in der Pracht.

Anatol, du bist mein Knecht!

Ich? Ich bin es.

Anatol?
Anatol? Wo bist du?
Ein Schrei.

Ich bin…
Ich lebe…
Ich schleiche berauscht durch Winters Prunk.
Tann, ich zähme deine Sünder wie einen Hund!
Leidenschaft mich quält in deiner klammen Welt!

Hier bin ich: Dein Gesell!

Der Teufel führt den Knecht durch Winters Pracht.
Bühnenhaft der Tann, der ihn umhegt in starrer Nacht.

Unheilvoll und stet das Grauen faucht und weht,
Borstig ist der Weg.

Dreist mal‘ich den Toten böse Fratzen ins Gesicht,
Ich tünche ihre Wangen und neige sie zum Licht.

Der Clown beklagt den Schauder,
der ihn durch die Tannen treibt.
Dennoch scheint er, bar und kahl,
vor rüdem Mord gefeit.

Ich stapf‘durch Teufels Walde und schau in Abgrunds Spalt.
Die Bosheit fängt mich... ein... giftig, dunkel und... kalt.

Ich schleiche berauscht durch Winters Prunk.
Tann, ich zähme deine Sünder wie einen Hund!

Unheilvoll und stet das Grauen faucht und weht.
Borstig bleibt der Weg.

Der Clown schminkt sich betört,
als wär sein Antlitz versehrt.
Er zieht all die Kreuz‘zu den Höfen hinauf
und müht sich gellend zum Schnauf.

4. Himmel Und Hölle

Überall nagt keusche Kälte an den Bäumen. Die Äste klirren im Eiswind. Gefrorne Wiesen leuchten
weiß und still. Der Schnee zeigt sich in harschen Flocken und verschneit uns Stein und Weg. Weh dem, der keine
Heimat hat! Wohl dem, der jetzt noch Heimat hat! Weh dem, der sich dem Winter hat ergeben! Weh dem, der diesen Winter
wohlig hält! Kommt fort, kommt fort von hier, ihr Narren! Kein Menschlein ward an diesem gottverdammten Tag dem
schönen Winter zugetan.

Das Eis der Bergseen scheint zu bersten und dennoch zieht hier Stille ein. Statt dem bloßen Schweigen in den
Wipfeln malt der Winter uns sein schönstes Bild. Doch was schlussendlich Himmel ist, das ist auch Hölle. Man
fürchtet fast den zähen Schritt im leeren Hain. Den Stein, der sich am anderen reibtund erstarrte Äste
just entzweit. Das Schnaufen dieser Männer, das Schnauben, dreistes Stampfen,was bringt uns dieses Brabbeln
– Hier betet Teufels Knecht! –, das Brabbeln und das Wüten hier, es ist von wenig Zier. Es gruselt
selbst dem schwarzen Raben, der eine letzte Runde dreht. Er spürt ein Bündnis mit der Hölle. Der
finstere Gesell jagt irr und flehend durch diese weiß geword’ne Welt. Er, er kann den eig’nen
Herzschlag hören, zu bänglich sind hier Tannen, Fichten, Föhren. Was führt er nur im Schilde? Was
führt hinauf den finsteren Gesell in Berges dunkle Gründe? Was braucht’s in jäher Nacht den Clown
mit Kreuz’und Weh?

Mein Herz, so muss ich dich
von Sünden gar umrungen seh’n,
wo eisig Winde mich umwehen.
Die Unschuld weint, vom Trost getrennt:
Dies ist die Hölle, die mich brennt.
Himmel oder Hölle?
Himmel oder Hölle?
Himmel! Hölle! Himmel! Hölle! Himmel! Hölle!
Himmel?
Himmel?
Nein…
H-ö-l-l-e!

5. Weh Und Wunde Mich Ergötzt

Dort wo die Winde stiller werden und man mit Mondes Hilfe bis ins Tal hinunter schaut, blickt von Berges
Höh’ein Einhof durch das Silber dieser jungen Nacht. In dreistem Mondenschatten, gehüllt in schwarze
Tracht, steigt gebückt und leis’der finstere Gesell hinauf zum Hof, wo jetzt bei mattem
Schein ein Bauer seine letzte Mahlzeit hat. Aus einer schwarzen Kutte haucht der finstere Gesell, durch feuchte
Gabelspitzen, des Teufels scharfen Atem hinaus in diese raue Nacht. Sterbt ihr Narren, gebt euch hin dem
nächtlichen Gesang, des Winters harschen Klang. Wie lang schon trägt der finstere Gesell sein blutend Herz in
Eis und Hohn? Der Winter hat ihn ganz ergriffen. Er ist seine Muse. Er malt den Teufel an die Wand. Der Winter ist in
Teufels Hand. Leise flehen meine Lieder, durch die Nacht zu dir. Der Knecht holt aus seinem schweren Päckchen
Schuberts Lieder wie ein gierig Tier sein schönstes Mahl. Er stellt das Grammophon hinein in schönsten
Alpenschnee und wischt mit altem Loden hinweg die feuchten Flocken aus den Rillen dieser wunderschönen, leuchtend
schwarzen Langspielplatte.

Die letzten Schritte. Freude. Dünkel. Holde Zier. Kein Zaudern. Hier wird der Mensch zum Tier. Hinauf die eichne
Treppe, die Gabel will er brauchen, um das Menschlein tot zu schlauchen. Die Nadel gleitet durch die Rillen, ein
Schubertlied erwacht;der Gesell, er jault sein Bußgebet zum Himmel als wär’es seine letzte Nacht
(„Du klagtest laut im Qualenmeer, wie elend dieses Leben wär…“). Der Clown dirigiert sich
selbst zu fallend’Schnee. Da ward die Tür des Einhofs aufgetan und als ein unscheinbares Männlein
hinaus in Winters Kälte tritt, sticht der finstere Gesell – giftig und berauscht –mit seiner Gabel fest
hinein in Todes Raub. Immer und immer wieder. So sterbt in Winters Schoß. Das Blut quillt nun aus Herz und Mund,
und hell im Licht der Kerzen wird dem Bauer hier der Garaus gemacht. Der Winter hat seinen finstersten Gesell. Und aus
dem Trichter schallt’s noch immer: „Leise
flehen meine Lieder, durch die Nacht zu dir, in den stillen Hain hernieder, Liebchen komm zu mir!“

Still ein Hof erlischt auf Berges Höh‘,
ich zügle Sünd‘und Schuld…
Gib‘mir die Kraft!
Weh und Wunde mich ergötzt,
Leidenschaft mich ewig hetzt.
Sucht, mach‘mich frei!
In mir faucht ein Schrei!
Winter, erglühe!
Elend, gedeih‘!
Finster mich der Tann befällt,
ein Mord mich jäh am Leben hält.
Ich allein, ich mach‘mich... FREI!
und schrei…
Winter, erglühe!
Elend, gedeih‘!

Tannenmeer, mein Schmerz ist schwer,
ich strafe Sünd‘und Pein.
Ich stech‘den Speer
in jeden Wanst hinein.
Ich meuchle Hof und Tann,
den Speer trag ich voran.
Mord und Eis,
welch wundervolle Zier
schenkt mir meine Gier.

Deine Gier!

Du Tor, ich nehm‘dir jede Schuld.
Eure Sünden strafe ich,
euer Leben meuchle ich.

Ein kurzer Schrei.
Stirb!
Ein letztes Zittern.
Stirb!

Tannenmeer, er ist nicht mehr,
so leg dich sanft zur Ruh‘.
Wetz die Klinge still
und schau verschlagen zu.
So schau verschlagen zu!

Leise flehen meine Lieder
durch die Nacht zu dir.
In dem stillen Hain hernieder,
Liebster, komm‘zu mir.
In dem stillen Hain hernieder,
Liebster, komm‘zu mir.

Leise flehen meine Lieder
durch die Nacht zu dir
durch die Nacht zu dir

Still ein Hof erlischt auf Berges Höh‘,
ich strafe Sünd‘und Schuld…
Du gibst mir die Kraft!
Weh und Wunde mich ergötzt,
Leidenschaft mich ewig hetzt.
Sucht, mach‘mich frei!
In mir faucht ein Schrei!
Winter, erglühe!
Elend, gedeih‘!

6. Ein Kreuz Zur Zier

Der dreiste Clown hat dem Toten gar noch einen roten Kussmund aufgemalt, sodann ein tiefes Loch gescharrt und die
Leiche in das Grab gelassen. Der finstere Gesell, er hat zu Schneefall, Wind und Schubertlied sein Nachtgebet gefleht,
die Gabel an den Fels gelehnt und danach die Zunge ausgestreckt, um an Winters weißer Brut zu naschen. Er schloss
gemächlich seine Augen und summte leise zur Musik. Dann wurde dieses Totenbett mit großen Steinen zugedeckt
und eines von den schönen Kreuzen mit großer Sorgfalt auserkoren. Und so saßen sie, der Knecht auf
seinem Schlitten und der Gesell am Fuß des Totenmals, um dem Lied des Grammophons zu lauschen, das
schließlich vor dem Kreuze diese Schubertplatte drehte. Es war ein Kreuz zur Zier.

Der Clown schaufelt den Leichnam ein.

Der Clown hat dem Toten einen Kussmund aufgemalt
und jäh zu fallend Schnee ein tiefes Loch gescharrt.
Er hat sein Grammophon ins Ungemach gestellt
und ein Kreuz zur Zier gewählt.

Die Leiche hockt ans Kreuz gelehnt, das Blut am Hemd vereist,
der Clown, er bibbert entgleist.

Wache, dunkler Tann!
und lausche Schuberts Klang.
Ewig spür‘ich dich.

Winter, ich zerre still von deiner holden Frucht,
die in üppig weißen Wogen vom Sternenhimmel flucht.
Schubert ward ins Grab gesogen, leise bebt der Tann.
Dunkelgrau das Weben, so wundervoll der Klang.

Liebster, Liebster, ach Liebster komm zu mir!
Ich bin nur dein Schnitter und stille meine Gier!

Leise flehen meine Lieder
durch die Nacht zu dir.
In dem stillen Hain hernieder
Liebster, komm‘zu mir.
Flüsternd schlanke Wipfel rauschen
in des Mondes Licht, in des Mondes Licht.
Willst mein liebend Herz du lauschen,
warte Liebster nicht, warte Liebster nicht.

Niedertracht, weckst du mich?
Schenkst du mir dein Wohl?
Immerdar spür ich dich.
Mein Geist ist grauenvoll.
Ewig spannt der Wald mich ein
Ewig bin ich sein.

Leise flehen meine Lieder
durch die Nacht zu dir.
In dem stillen Hain hernieder.
Liebster, komm‘zu mir.
Flüsternd schlanke Wipfel rauschen
in des Mondes Licht.
Willst mein liebend Herz du lauschen,
warte Liebster nicht.
warte Liebster nicht.

7. Tief In Des Waldes Gründe

Mit weißer Kreide hat der finstere Gesell noch an die Tür des Hofs geschrieben: „Leise flehen meine
Lieder. Ich bin des Winters finsterer Gesell.“ Der Mond ist schließlich aufgegangen und strahlt nun das
düst’re Grabmal an. So klar die Nacht, wenn goldne Sterne prangen, wenn strenger Frost im Stillen lacht und
dieses Schweigen – scheint’s – für immer…haltbar macht. Dem Wald, ihm droht der Tod im
weißen Festgewand. Er, der Frost, hat diese Nacht gefangen. Unendlich dehnt sie sich, die weiße
Fläche, bis auf den letzten Hauch von Leben (leer). Die munteren Pulse stocken längst, es regt sich selbst
der kalte Wind nicht mehr. Der finstere Gesell und Anatol, sein Knecht, wandeln weiter dann auf ihren Pfaden, quer
durch letzte Nebelschwaden, weit hinauf zum Ende ihrer Wege, wo sich kaum ein Mensch bewege. Doch in breit erstarrter
Heide führt keine Umkehr sie zurück. Denn hier ist Nacht, nur Nacht, nur Nacht. Der finstere Gesell, er sucht
sich seine nächste Stell’. Ganz hoch zum Berge will er gehen, wo Gott manch’schwere Sünde
ließ geschehen. Er ist Teufels Richter. Und durch den wohl geputzten Trichter lauscht der Winter dann Schubert
schönste Lieder an.

Bei dieser Kälte gräbt sich selbst ein Rabe in sein Innerstes hinab, als schaufle er sein eign’es Grab.
Doch er, der finstere Gesell, er hetzt den Clown durchs Tannenmeer. Die Welt – ein Tor, zu tausend Wüsten
stumm und kalt…und leer! Wer zu dieser Zeit den Wald betritt, der macht wohl nirgends halt. Doch in diesem
geisterhaften Treiben hält der Gesell dann plötzlich inne. Er saugt mit einem Atemzug die ganze Kraft des
Waldes ein, als betör’der Winter seine letzten Sinne. Und wo durch helle Tannenwipfel der Mond hinab zum
weißen Boden reicht, sieht der Gesell in einem wunderschönen Flügel, den Gipfel dieser weißen
Nacht erreicht.

8. Flügelspiel

Der wohl geputzte Deckel ist fast vollauf mit Schnee bedeckt, sodass der Glanz des Schellacks zunächst in Winters
Pracht verblasst. Bezaubernd hüllt das Mondlicht diesen Flügel ein wie ein Kokon den Engerling und wie ein
Sarg die Leiche drin. Welch Gnade dieser Welt, hat dies Geschöpf hier abgestellt? Die Korpusbeine, so sanft
poliert, sind zum kleinen Teil im Schnee verschwunden und gleißen fast in diesem Bild der Anmut. Daneben zeigen
sich die Tannen wohl verbunden, als stünden sie im Kreis Spalier, wie jüngst das Kreuz am Grabe, so scheint
es, nur zur Zier.

Der finstere Gesell, er steht berauscht davor und streift verzärtelt all den Schnee vom dunkelroten Samt des
Hockers. Er lehnt die Gabel an den Korpus und verschafft sich Zugang zu den Tasten, indem er den nass gewordnen
Klaviaturdeckel mit geschickten Händen hochklappt, um sich selbst ein Kunstlied zu erhaschen. Der Knecht mit
seinem roten Kussmund zieht seinen Lodenmantel aus und wischt mit einem Zug den Schnee vom wunderbaren Lack des
Fichtenholzgestells. Nun ward das Geschöpf in seiner Pracht erst richtig anzusehen. Wie schön ist die Musik
in einem einz’gen Ding geschart? Der finstere Gesell gafft mit nassen Augen auf diese unsagbare Gabe. Er setzt
sich beharrlich auf den Hocker und spielt ein makelloses Sterbelied, gewidmet all den schon und baldig Toten dieser
klirrend kalten Nacht. Gemeinsam singen sie – der finstere Gesell und sein schriller Knecht – ein Lied voll Groll
und Gräuel, von Kunst und Tod, von Sühne und Vergeltung, ehe sie sich dann – gelüstend – auf den Weg zu
jen’ altem Gehöft oberhalb der Baumgrenze machen, wo im Prunk des Winters ein selbst ernannter Richter Eis
und Blut zusammenfügt.

Die Nacht kehrt ein in Waldes dunkler Höh‘
und neigt sich forsch dem Grauen zu.
Der Teufel saugt betört die Kraft des Winters ein.
Er fühlt gelabten Groll und wallt in Berges heiler Ruh‘!

Ich bin des Winters finsterer Gesell!
Ich bin ein Verdammter, der im Born des Dunkels
hinab zum Abgrund steigt, bis hin zur tiefsten Stell‘,
und dann entflammt zum Himmel schreit:
„Ich bin doch frei. Ich bin frei in deinem Prunk
und strafe laut, wer mit Elend voll geschöpft
dir quälend, trüb und sündhaft
wie ein leerer Narr entgegenschaut.
Tann, in deiner Pracht der Mord mich jäh ergötzt.
und Leidenschaft mich hetzt und hetzt!“

Er spürt berauscht die Wucht der Tannen.
Im weißen Rausch will er nun prangen.
Den Tod genarrt, die Pracht erstarrt.
Das Flügelspiel hält ihn gefangen.
Der Clown beschmiert sich Mund und Wangen.
Barmherzig zeigt er sich befangen.
Von Kunst und Mord. Von jenem Ort.
In Bälde wird er furchtbar bangen.

Wie wundervoll die Nacht mich fängt,
ihr Sog mich immerwährend lenkt.
Lässt sie mich denn frei?
Lässt sie mich am Tod vorbei?

Die Nacht verweilt in Waldes dunkler Höh‘
und neigt sich forsch dem Grauen zu.
Der Teufel saugt betört die Kraft des Winters ein.
Er fühlt gelabten Groll und wallt in Berges heiler Ruh‘!

9. Ich Hab' Den Mut. Ich Hab' Die Macht

Dort wo die Bäume fast im Eis verenden hat der Winter selbst in dunkler Nacht seinen ganzen Prunk entfacht. Hier
glitzert Schnee wie weißes Silber und vor Kälte bleibt die Luft erstarrt. Man sieht nur Holz und Weiß
und Eis. Zwei öd’Gehöft mit Vieh und Schuppen scheinen sich wie unberührte Seelen zu entpuppen.
Und doch ist hier noch Leben drin, vielmehr noch sitzt auf jedem Stuhl die Brut vom Sündenpfuhl.

Der finstere Gesell stampft lüstern vorwärts und hält seine Gabel weit nach vorn gerichtet.
„Anatol, so geh doch, geh!“ Sein Knecht, er zieht und zieht die Kreuz’hinauf zum ersten Schuppen. Und
während hier die Nacht noch schweigend Einzug hält, hat ihm der finstere Gesell schon längst bestellt,
den Schlitten schleunig abzuladen und für jedes Kreuz ein eignes Loch zu graben. „Stell auf die Kreuz und
mach dich frei. Nun sehn‘ich Mord für Mord herbei. Ich hab‘den Mut, ich hab‘die Macht, bald
rinnt süß Blut durch Schnee und Nacht.“

Welch Argwohn steckt nun hinter diesem Hof? Welch tiefer Abgrund hat sich hier bloß über Jahre aufgetan?
Sind’s gar die Früchte einer strikt verbot’nen Saat? Hier sahen die Kinder immer andersaus, der Prunk
des Winters war bestimmt ihr größter Graus. Für den finsteren Gesell ist der Wintermehr als eine Muse.
Der Prunk des Winters schürt in Schüben Häme, Rausch und Lust. Die Wogen fast verfror’ner, eisig
kalter Bäche treiben seine Glieder an. Im Frost des Waldes fühlt er all die Macht von Kälte, Sturm und
Schnee, von Mord, Gemetzel, Blut und Weh’. Der Winter hüllt sich Berg und Wald, ja Bach und See in ein
großes, weißes Meer. Er tilgt die Blätter, macht die Wiesen schwer und löscht den Klee. Genau in
diese Schönheit dann malt der finstere Gesell mit rotem Pinsel nun die Menschen an. Für ihn ist’s
dreiste Anarchie, des Waldes Klang und Poesie.

10. Zügellos

Schmerz durchbohrt den Körper, beschaulich, schön, so kalt, doch gut. Die Schreie sind so leis’, am
Ende bleibt nur Wut, nur Wut. Da rinnt Blut, Blut tropft leis’, üppig, doch sacht. Ich hab’den Mut,
ich hab’die Macht. Vernarbt ist auch mein Herz, dort sitzt der große Schmerz, so unscheinbar versteckt und
von niemandem entdeckt. Er tut es immer wieder, tiefer, Stück für Stück, ja geht auf beiden Knien
nieder, kein Weg führt ihn von hier zurück. Er lebt am steilen Grund und malt den Toten selige Fratzen auf
den Mund.

Es ist soweit. Der Knecht stimmt just ein irres Liedchen an und lockt die Meute aus der Stille. Der finstere Gesell
stapft zuvor noch kleine Schritte in die Scheune vor zur Mitte und jagt der Magd von hinten seine Gabel ins Gerippe. Er
zieht sie raus, kein Schrei, kein Ton, und führt die satte Gabel dann, dem rot bedeckten Schlund entlang, hinein
in Herz und Darm. Schnee und Blut, das macht sich gut. Die Magd, sie war, doch ist nicht mehr und Anatol, der Knecht,
er zieht die Dirne, gar nicht schwer, zu ihrem eignen Totenmal; es war noch finster, ruhig und fahl.

Der Gesell, er schleicht und schleicht voran, und tänzelt nun den Hof entlang, vorbei an Holz und Dreck,
hinüber in den Schober, welch hinterlistiges Versteck. Den feisten Bauern, den das irre Lied geweckt, ihn hat er
seine Gabel wütend in den Wanst gesteckt. In Winters Prunk, zu ruhiger Zeit, zeigt sich nun die Macht der
Grausamkeit. Der feiste Bauer kriecht mit letzter Kraft hinaus und süßt den Schnee mit Blut und Graus. Er
schaut dem finsteren Gesell noch einmal ins Gesicht und schreckt kurz auf, ja schreit: „Du? Warum du? Du bist
mein Gericht?“.

Auch dem Bauern hat der Knecht, fast schon in den Tod vernarrt, sein eignes Grab gescharrt. Die Magd und nun der feiste
Bauer: Nur zwei Kreuze sind von Dauer. Anatol, er fühlt sich wohl und stellt das goldne Grammophon aufs erste
Grab, als wär es Schuberts eign’ner Thron. Mit einem Tuch aus
Hofes Stall, putzt der Clown den Trichter völlig kahl. In düstrer Nacht, wo viel geschieht, hört man
jetzt ein Schubertlied.

Der finstere Gesell, er wird nun richtig zügellos und beschließt, das Leben auf den Höfen, seiner
steten Unbeirrtheit wegen, für alle Zeiten brach zu legen. Er hetzt hinauf zum Hof, huscht die Treppen rauf ins
Schlafgemach und sticht in Greis, in Weib und Kind, und zu Schubertlied und Wind. Im harschen Sturm des frühen
Morgens zerrt er dann vier Leichen fort aus ihren Betten, vor die Türe ihres Hofes, bemalt die Lippen, füllt
die Gräber, deckt sie zu mit Holz und Stein und steckt in jedes ihrer Gräber ein schweres Holzkreuz rein.
Hier am Hof ist keine Sünde mehr.

Da geht ein Riss durch Winters Pracht
und reißt die Stimmen fort.
Es geht ein Riss durch diese Nacht
und wetzt das Blut zum Mord.

Nur ein karger Schrei und das Leben fliegt vorbei.
Es zappelt wild an Wogen... und frei.

Zügellos bin ich frei in deiner Pracht.
Nun wird ein Riss zu Abgrunds Spalt
und bündelt Weh und Schmerz.
Es geht ein Riss durch diesen Wald
und flutet klagend Herz.

Nur ein letzter Tanz und das Leben schwelgt im Glanz.
Hoheitsvoll spür‘ich... Angst.

Tief dringt mein Speer in ein blutgetränktes Meer,
Die Magd kasteit sich wund und leer.

Zügellos bin ich frei in Winters Pracht.
Süß das Blut strömt aus in Wogen.
Stück für Stück dem Tod gesogen.
Borstig Tann, so trüb und klamm,
mich fängt dein Kleid, du zündest meinen Drang.

Tief dringt mein Speer, als hört ich Schwall und Beben,
in dies verdorbene Meer! Kein Zaudern wird es geben.
Die Magd! Der Bauer! Der Greis! Der Knecht!
Mein Weg ist... selbstgerecht.
Ich lebe meinen Zorn.
Ich hab‘den Mut und spür‘die Macht,
kein Tod geht mir verloren.

Nur ein karger Schrei und das Leben fliegt vorbei.
Es zappelt wild an Wogen... und frei.

Zügellos bin ich frei in deiner Pracht.
Zügellos...
Zügellos...
Zügellos...
Zügellos...
Zügellos jag‘ich die Sünden aus dem Tann.
Zügellos zieht mich der Wald in seinen Bann.

Ich hab‘den Mut. Ich hab‘die Macht.
Ich hab‘die Wucht in mir entfacht.

11. Grausamkeit Und Prunk

„Ach, du Winter, du Liebe meines Lebens!“, haucht der finstere Gesell in diesen kalten Morgen. Er blickt
hinauf zum Himmel dann und hört des Winters dunklen Klang. Ein Cello spielt im Tannenmeer, der Flügel glaubt,
er ist nicht mehr. Ein zarter Wind rauscht durchs Gehölz und der finstere Gesell, er singt sein schönstes
Lied. Die Englein tragen Trauerkleidung und schweben da in Reih’und Glied. Niemand neidet dem Gesell seine
finstere Gabe. Er ist der selbst ernannte Richter, der sich am Gemetzel labe. Der finstere Gesell setzt sich
schließlich auf eine morsche Holzbank vor dem Schoberund sinniert über die Maßlosigkeit des immer
dichter werdenden Schneefalls. Welch zügelloses Treiben soll ich hier beschreiben? Wie maßlos kann der
Winter sein? Welch schöne Ironie des Schicksals.

Schwebt ihr Engel, schwarz und leis‘, zu eis’gem Bogenstrich.
Fort von Winters vollem Weiß jag ich euch ewiglich.
Ihr Englein, schön und kalt, fliegt fort, weit fort in Reih‘und Glied.
Im Tannenmeer verhallt (nun) bittersüß mein traurig‘Lied.

Liebt des Winters Prunk. Lauscht des Winters Klang.
Herb und kalt der Wind sich reget. Fühlt des Winters Fleisch und Drang.

Treibend hält der Wind das Blut in all den Herzen still.
Wohlig thront im Prunk der Richter nah am Ziel.
Schaurig stöhnt er in die Nacht und drückt die Augen zu,
als wollt‘er dringlich Englein schauen in ihrer letzten Ruh‘.

Liebt des Winters Prunk. Lauscht des Winters Klang.
Herb und kalt der Wind sich reget. Fühlt des Winters Drang.

Ihr Englein, fliegt und fliegt, ja fliegt empor zu Stern und Nacht,
denn Grausamkeit und Prunk verleihen mir Grimm und Macht.

O Winter, klirrend kalte Huld! Mir bangt vor eis‘ger Ruh.
Schaurig stöhn‘ich die Nacht und drückt die Augen zu…

Liebt des Winters Prunk. Lauscht des Winters Klang.
Herb und kalt der Wind sich reget. Fühlt des Winters Drang.

12. Das Leere Grab

Sieben Gräber hat Anatol, der Knecht, gescharrt, doch nur sechs davon tragen Kreuze. Der Knecht hockt dicht an
dicht neben dem gold’nen Grammophon und wischt die Schubertplatten trocken. All die leisen Schreie waren
gräulich, doch längst sind sie verstummt. Nur Blut blieb opulent zurück, zumindest hier am Berg ein
Stück. Bedrückende Stille. Ein früher Morgen. Sattes Schweigen. Der Knecht fixiert das leere Grab und
blickt dem finsteren Gesell eine Weile lang entgegen, wusste dieser doch genau wie viele Leute hier am Hofe waren und
wie viele Kreuze er einlassen würde. Der finstere Gesell, er hebt sein Haupt, ja grient erst leis’und lacht
dann laut’in Winters Prunk und Trubel. Infam glotzt er dem Knecht in sein Gesicht. Der Knecht hält inne,
sieht das letzte Kreuz am Schlitten liegen und blickt zum leeren Grab hinüber. Er lächelt feist, so ganz und
gar nicht sicher und versteckt sich förmlich hinter dem Gekicher. Nun wird ihm allmählich klar, dass das
letzte Grab kein Irrtum war. ER, der Knecht, der all die Gräber schürfte, der unbändige Mühe auf
sich nahm und den schweren Schlitten aufwärts zog; ER, der einen anderen morden und gewähren ließ und
sich in übler Zunft des Winters Muse beugte; ER war nun selbst nebst Greis und Kind für dieses letzte Grab
bestimmt. Der finstere Gesell erkennt am Blick des Knechts, dass dieser plötzlich ängstlich ist, erhebt sich
langsam, kühl und stattlich, tritt nach vor und schaut zum Himmel dann empor. Dann greift er nach der Kette, die
sich lose um den Schlitten legte und watet durch den reschen Schnee.

Sie schlummern unter Erde, ich hab‘ihr Bett gemacht.
Was zerrt‘ich Teufels Herde durch diese bare Nacht.
Ich schlürfte im Taumel. Ich schlug auf die Kreuz‘.
Ich wachte am Hofe und tanzte erfreut.

Der Knecht blickt wie vom Mord geeicht
in sein eignes Grab.
Er lacht nun bang und starrt erweicht
zur kalten Erd‘hinab.

Der Tod kehrt ein und nagt an meinem Pelz.
Im Sog von Frost und Pein spür‘ich seinen Fels.
Er wetzt seine Ketten und streichelt die Kreuz‘.
Er riecht an den Betten und zeigt bittere Freud.

13. Jagd

Jetzt war es um den Knecht geschehen. Er hetzt davon, zum Hof hinauf, und schreit und schreit um sich von Sinnen. Den
Schnee beladenen Lodenmantel noch in der Fluchtbewegung abgestreift, stürzt er, karg bekleidet, erst über
eine Tränke und schleift sich dann durch Blut und Fraß. Er rafft sich auf, faucht ängstlich durch den
tiefen Schnee und kriecht auf allen Vieren, weit hinab ins Tannenmeer. Nun treibt der finstere Gesell den schrillen
Knecht durch diesen tief verschneiten Wald. Er gibt dem Knecht die Sporen. Äste knacken, irres Lechzen, harsches
Dürsten. Mit der gezähnten Gabel in der Hand stürmt der finstere Gesell durch eine dichte Nebelwand. Er
jagt den Knecht zum leicht verschneiten Flügel, unweit der Eisbäche, zetert wie ein Höllenfürst und
fleht und fleht den Tod des armen Knechtes herbei. In der fast gläsernen Helle, in der der Flügel diesen
Morgen trägt, hält der Knecht nun inne. Er ist kalt vor Kälte, das weiße Unterhemd voll Blut und
süßem Leichenduft. Der finstere Gesell jagt wie ein Büffel ohne Fell den letzten Hang hinab und
schleudert den Vasall mit seiner Gabel fast ins eigne Grab. Der Knecht verfällt, sackt auf die Knie. Er fasst noch
rückwärts nach der Gabel, die ihm lose nun im Rücken steckt, da waren seine Hände schon in Ketten.
Der finstere Gesell bleibt noch kurz beim Flügel stehen und spielt mit seiner linken Hand ein Liedchen an, dann
zerrt er den clownesken Knecht wie einen niederträchtigen Häftling zum Mordhof hoch. Nahezu
bühnengerecht watet er forsch und prächtig, würdevoll und mächtig, durch all den tiefen Schnee,
hinauf zu Teufels Acker. Der Knecht, geschunden, furchtbar bleich und abgefroren, verdirbt fast in den Ketten. Der
finstere Gesell schleift den schrillen Clown durch die Pfützen des Gemetzels, vorbei am Schober und all den
Kreuzen, hinein ins allerletzte Grab. Der Knecht, halbtot und durchgefroren, kauert nun in seinem selbst gescharrten
Loch, daneben dann das Grammophon, das immer mehr nach Blut und Winter roch.

Du flauer Clown, nun knirscht es murmelnd wild.
Die Trän‘aus dem Aug‘! Zu lachen es gilt!
Knie dich nieder, Knecht! Dein Beifall ist gerecht.
Stolz und störrisch jag ich dich, teuflisch, widerlich…
Winter, mein Held, die Zügel behält,
wer den Prunk deiner Macht wie ein Teufel entfacht.
Jagd! Ich jag‘diesen Clown ins Gefecht.
Die Gabel voran, hinein in den Knecht.

Er treibt ihn wild, der Clown klagt stete Pein.
Er jagt ihn fort, ins Tannenmeer hinein.

Winter, dein Pelz zieht mich in seinen Bann.
Er hüllt Qual und Leid in Nebels Gewand.
Jagd! Ich jag‘meinen Knecht durch den Tann.
Bald hat auch er sein Schicksal erkannt.

Er lacht und hält, der finstere Gesell.
Er rammt dem Knecht die Gabel ins Gestell.

Du…
Muse aus Eis, ich kenn‘deinen Preis.
Komm, wirrer Knecht! Dein Weg ist gerecht.
Der Clown ward nun lieblich in Ketten gezwängt.
Verloren die Gier, die ich ihm einst geschenkt.

O, wie kläglich, so verbittert und schal.
Da hängt ein Clown in Ketten, die Fratze völlig kahl.
Er tropft und tropft den Winter voll, sein Blut ist überall.

Nun hat der Teufel seine Not, den Knecht,
wie forsch und prächtig,
durch Schnee zum Hofe hochzuziehen.
Er steigt bedacht und mächtig
und schleift den Clown im Mondenschein.
Die Bühne ist zu klein.

Diese Bühne ist mein…
…mein…mein…mein…

Den Kussmund wendig aufgemalt,
damit der Clown ein wenig strahlt.
Das Loch hat er sich selbst gescharrt,
nun hockt er da bedächtig.
Leid, ja Leid hat ihn erstarrt,
Der Tod ist manchmal…………zart.

Schlaf ein…
Mein Clown, schlaf ein…

Liebevoll und karg der Knecht verdirbt im Hain.
Er kauert durchgefroren und zeigt uns seine Pein.
Der Clown, er ward geschunden und stammelt in der Not.
Er wechselt Lust und Leid und wartet auf den Tod.
Was zählt das Leid auf Berges dunkler Höh'?
So finster der Gesell nimmt Abschied von dem Weh.

Was birgt der Prunk in Teufels stillem Tann?
Er schürt den kalten Mord und schnürt ein schwarzes Band.
Nun will er fort, der finstere Gesell,
verliebt in diese Nacht und müde von der Welt.

14. Abschiedslied

Der finstere Gesell singt dem Clown an diesem frühen Morgen noch ein schneidendes Abschiedslied. Er schreit zum
Himmel, packt den Knecht an seinen Haaren und biegt ihn – dem Tod schon freudvoll winkend – sitzend in sein Grab. Blut
läuft träge aus dem Mund und bahnt ihm seine letzte Stund’. Das Kreuz streng vor dem Schopf fixiert,
hat der Gesell dem Clown noch seinen roten Mund verschmiert. Mit einem dunkelroten Lippenstift zieht er die Winkel
dieser Fratze weit nach unten und ist noch einmal Dirigent. Ein Schubertlied erschallt und der Gesell verschwindet
leis’im Tannenwald. Der Knecht, er saß nun da in seinem off’nen Grab und sollte strikt nach Teufels
Plan bald tot gefroren zur Hölle fahren. Die Händchen, fest in Ketten, übers Köpfchen hoch
gestreckt. Er öffnet sie ein letztes Mal, um im Gestöber ein paar Flocken einzufangen. Traurig blickt er nun
noch lang in diesen gold’nen
Trichter. Dann schließt er seine Augen und will den Winter nicht mehr sehen.

Auf dem Grammophon kratzt eine Platte.
Ein Schubertlied.

Fremd bin ich eingezogen, fremd zieh‘ich wieder aus.
Der Wald war mir gewogen, mit seinem bitteren Graus.
Nie dachtest du an Liebe, doch sucht‘ich hier das Weh.
Nun ist die Welt so trübe, der Weg gehüllt in Schnee.
Nun ist die Welt so trübe, der Weg gehüllt in Schnee.
Nun ist die Welt so trübe, der Weg gehüllt in Schnee.
Ich kann zu meiner Reisen nicht wählen mit der Zeit,
muss selbst den Weg mir weisen in dieser Dunkelheit.
Es zieht ein Mondenschatten als dein Gefährte mit.
Es zieht ein Mondenschatten als dein Gefährte mit.
Und auf den weißen Matten such‘ich des Wildes Tritt.
und auf den weißen Matten such‘ich des Wildes Tritt.
Was soll ich länger weilen, dass man mich trieb hinaus?
Lass irre Hunde heulen, vor ihrer toten Herren Haus;
Die Liebe liebt das Wandern, Gott hat sie so gemacht!
Die Liebe liebt das Wandern, Gott hat sie so gemacht!
Von einem zu dem anderen. Von einem zu dem anderen.
Fein Liebchen, gute Nacht. Von einem zu dem anderen.
Fein Liebchen, gute Nacht.
Gute Nacht, mein Clown!
Gute Nacht!
Will dich im Traum nicht stören, wär schad‘um deine Ruh‘.
Sollst meinen Tritt nicht hören – sacht, sacht die Türe zu!
Schreib im Vorübergehen ans Tor dir: „Gute Nacht!“,
damit du mögest sehen, an dich hab‘ich gedacht.
Das Ende meiner Wege birgt deine letzte Stund‘,
Der Tod ist manchmal träge…
Ach wie lieb ich deinen rot geschminkten Mund?
(küsst den Toten noch)

15. Die Letzte Lust

Wind.
Schritte.

Stattlich schleicht der finstere Gesell fast ungetrübt durch diese Blut gesüßte Nacht – hinein in
einen dreisten Morgen – der Winter hält noch einmal Wacht. Er streift an starren Ästen, tändelt
zärtlich Zweig für Zweig und schleift die Gabel durch den harten Schnee. Der Tann verneigt sich vor dem
Schnitter und ein ekelhafter Hauch verweht das rote, bitterkalte Weh.

Still.
Grausam wogt der Wind.
(Der Erzähler atmet ganz ruhig aus)

Der Winter hat das letzte Wort und just sein finsterer Gesell hetzt fort, weit fort. Ein eisges Bächlein fest vor
Augen, die böse Fratze schwarz verhüllt, blickt er ein letztes Mal hinauf zu Berg und Klamm und weiß,
dass ihn hier nichts mehr erwarten kann. Gleich wird er die Gabel in den Eisbach tragen,
sich leis an all den frischen Flocken laben und einen losen Einbaum zu sich ziehen, um dann ganz still hinab ins Tal zu
fliehen. Es ist seine letzte Lust.

Dann fährt er los, der finstere Gesell…zum Ende seiner Wege.

Ein kleines Weilchen später…

Ein hageres Männlein, voll Blut und fest in Ketten, stapft völlig irr hinab ins Tal.

Sie sind alllllleeee tot.
Tot. Alle tot. Ahhhhhh…
Winter, wo ist dein Gesell? Wo ist er denn?

Ich bin der schnöde Anatol und stapfe durch den Wald.
Die Nacht war schön und wundervoll, beim Spielen war es kalt…
Ich war das nicht…
Ich war das nicht…
Alle tot.
Ahhhhh…
Ahhhh
Alle tot…alle tot.

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